Life is colorful :)
Der moderne Mensch (homo sapiens) gehört zu den Daseinsformen auf diesem Planeten, denen es gewährt ist viele verschiedene Farben wahrzunehmen. Zwar ist diese optische Fähigkeit nicht einzigartig und tatsächlich sogar den Fähigkeiten bestimmter Tiere unterlegen und doch hat sie mir in meinen Überlegungen zum Thema Kreativität geholfen.
Die Welt ist bunt. Egal ob natürlich oder künstlich, sie sprotzt nur so vor Farbe. Und doch verkümmert das Talent der Menschen diese zu schätzen und sich an ihr zu bereichern. Man hört Leute häufig vom grauen Alltag reden, doch streng genommen ist das Leben vieler Menschen unserer Kultur eher schwarz-weiß, rein und raus, an und aus. Natürlich hat der Mensch die Fähigkeit Farben zu sehen nicht wirklich verloren, doch mit fortschreitender Zeit und allgemeinem Fortschritt verändern sich auch Kulturen und die Gesellschaft fordert Opfer. Der Mensch hat (nicht nur im Arbeitsleben) seinen Aufgaben entsprechend zu funktionieren, soll nicht auf Zeitintensive (Um)Wege kommen, sich womöglich eigene Gedanken - an der optimalen Lösung vorbei - machen. Daher sieht er die Farben, die ihm nützlich sind; natürlich abhängig von verschiedenen Faktoren (z.B. Beruf, soziales Umfeld, Sicherheit, Sport etc.). Die Gesellschaft und die Familie prägen den Menschen von klein auf, leiten ihn und geben ihm einen bestimmten Weg vor, wörtlich: mit Ampeln, Straßen, Gebots- und Verbotsschildern usw. aber auch im weiteren Sinn z.B. seine Gedanken, Ideen und Vorstellungen, seine Moral und sein Gewissen. Natürlich ist der Grad der Beeinflussung unterschiedlich je nach Kultur und Individuum und sie geschieht auch in anderen Bereichen, doch die Fähigkeit zu sehen, ermöglicht die beste Verbindung mit dem Thema Kreativität im Kontext Parkour, Free Run, L‘ADD etc...
Häufig liest man in Kommentaren zu Parkour und Co. Videos Kritik wegen mangelnder Kreativität, begründet damit, dass dem Zuschauer des Videos bereits vorher alle Bewegungen bekannt waren. Mir stellt sich jedoch die Frage, was ist Kreativität tatsächlich und welche Handlungen lassen sich als kreativ bezeichnen? Kreativ sein wird definiert mit „etwas schaffen bzw. schöpferisch Denken“. Hierbei handelt es sich nicht um eine überdauernde persönliche Eigenschaft, weil jeder geistige Prozess und sein Produkt in Bezug auf Kreativität unabhängig betrachtet werden sollten. Kreativität erfordert weder besondere Intelligenz noch sonstige außergewöhnliche Talente sondern meiner Meinung nach lediglich charakterliche Stärke. Man muss keine neuen Wegen gehen, etwas neues erfinden oder revolutionär denken und handeln. Nur weil man etwas schafft, das schon existiert, schließt das trotzdem individuelle Kreativität nicht aus, das verlangt den persönlichen Hintergrund, das Wissen und die Erfahrung des Schaffenden zu kennen. Es stellt sich die Frage inwiefern kreative Prozesse beherrschbar und berechenbar sind und sein dürfen und ob sie dann tatsächlich noch „kreativ“ sind. Ich glaube jedoch, dass sich Schöpferkraft nicht messen, erlernen oder trainieren lässt, sie hängt von Beharrlichkeit UND dem Zufall ab und jeder Mensch hat bereits die Grundlage dazu. Man kann jedoch die Rahmenbedingungen auf verschiedenen Wegen optimieren.
Wie die Kunst und die Musik, bieten auch Parkour, Free Run und Co. ein Medium um seinen kreativen Impulsen Ausdruck zu verleihen. Nimmt man Rücksicht auf die Definitionen, so ist dies in Parkour etwas indirekter in Form von verschieden Problemstellungen denen man sich auf dem best möglich effizientem Weg stellen muss und für die es nötig ist Lösungen zu finden, in Free Run puristischer bzw. mit mehr Handlungsspielraum.
Vor allem Babys und Kleinkinder sind sehr kreativ und haben eine blühende Fantasie, doch mit zunehmendem Alter nimmt die Kreativität vieler Menschen scheinbar ab.
Warum ist das so?
Je jünger ein Mensch ist, desto weniger hat er erlebt und dementsprechend weniger Erfahrungen , gute wie schlechte, hat er gesammelt. Er ist also weniger geprägt, und furchtloser, handelt instinktiver. Doch um zu überleben muss er sich anpassen und die Prägung nimmt mit fortschreitendem Alter zu, unfreiwillig, man kann sich nicht dagegen wehren, weil alleine die Tatsache, dass man durch den Tag geht, unabhängig davon, was man dabei tut, einen Menschen prägt und ihm eben bestimmte Erfahrugen beschert. Das ist der Lernprozess des Lebens.
Die einzige Möglichkeit, die man also hat um sich das Kreative denken und die Handlungen die ihm folgen zu erleichtern ist, alles was man weiß und kennt - natürlich nur bis um einem vernünftigen Maß- (stellt sich jedoch auch wiederum die Frage wann der Grad erreicht ist, ab dem etwas unvernünftig ist. Ist es das riskieren seines Lebens oder einer Verletzung? Welche Opfer muss man für die Kreativität bringen, welche Leiden ertragen? Das ist jedoch ein anderes Thema) abzuschütteln, auszublenden, einfach vorübergehend zu vergessen, auch wenn es unterbewusst immer mit in Denken und Handeln einfließen wird (gibt es dann so etwas wie Kreativität überhaupt?).
Mir hilft es dabei, zu versuchen das zu sehen, was tatsächlich real ist, und nicht das was meiner vorbelasteten Wirklichkeit entspricht. Keine Ampel, die einem sagt, du darfst nicht gehen, weil es gefährlich ist also bleib stehen, sondern einfach eine rote Ampel. „Empty your mind..“ Kein Hindernis, dass von mir verlangt einen bestimmten vorgegebenen Weg zu folgen um an ein bestimmtes vorgegebenen Ziel zu gelangen sondern z.B. einfach eine kalte, harte, raue, schmutzige, rutschige, poröse, staubige, alte, neue, bemalte, schwarze/rote/blaue/gelbe/blaaa Backstein/Sandstein/Beton/Bla - Mauer einer bestimmten Höhe, die NUR deshalb an diesem Ort steht um den Zweck zu erfüllen, den ICH in ihr sehe. Kein Abgrund mit gefährlichen Konsequenzen, kein Holzzaun, der splittern oder brechen könnte, keine rostige Stange, sondern ein Werkzeug, um mich zu finden, mich auszudrücken.
Es gibt keine Anleitung für kreatives Denken, jedoch das Wissen, dass jeder dazu im Stande ist. Mehr ist nicht notwendig.
Zum Schluss möchte ich euch noch folgendes, sehr wahres Zitat ans Herz legen:
„Ideen kommen von selbst, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt; es ist genau wie mit dem Regen: Wenn man sich bei Regenwetter lange genug ins Freie stellt, wird man naß, ohne etwas dazuzutun."
(Cossman)
Danke für euer Interesse
Carlos